5-NACH-12 | FINANCE INSOLVENZREPORT: Quartalsdelle bei Großinsolvenzen – Entspannung bleibt aus
Im zweiten Quartal 2025 zeigt sich erstmals seit drei Quartalen eine Entspannung bei den Großinsolvenzen.
Die Zahl der Insolvenzen von Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als zehn Millionen Euro sank von 125 im Vorquartal auf 82 Fälle. Das entspricht einem Rückgang von über einem Drittel. Auch im Vergleich zum zweiten Quartal 2024 liegen die Insolvenzanträge um elf Prozent niedriger, so der Insolvenzreport der Unternehmensberatung Falkensteg. Dennoch bietet ein Blick auf das Halbjahresergebnis wenig Grund zur Entwarnung: Mit insgesamt 207 Großinsolvenzen zur Jahresmitte wird der höchste Stand seit 2018 erreicht – ein Anstieg um satte 21 Prozent verglichen mit dem bisherigen Rekordjahr 2024.
„Wir beobachten aktuell eine Verschnaufpause, aber noch keine wirkliche Trendwende. Die Krisenfolgen arbeiten sich verzögert durch die Bilanzen der Unternehmen – viele kämpfen weiterhin mit hohen Kosten, schwacher Nachfrage und Unsicherheiten. Die positiven Konjunkturdaten schlagen sich bestenfalls mit Verzögerung in den Insolvenzzahlen nieder und der Trend für das dritte Quartal zeigt wieder nach oben“, so Jonas Eckhardt, Studienautor und Partner bei der Unternehmensberatung Falkensteg.
Branchen: Elektrotechnik und Autozulieferer voran – Immobilienbau erholt sich
Mit jeweils elf Fällen liegen die Branchen Elektrotechnik und Automobilzulieferer bei den Pleiten gleichauf an der Spitze. Während die Elektrotechnik einen leichten Anstieg verzeichnet, ist die Situation für Zulieferer spürbar besser als im Vorquartal – hier sank die Zahl der Insolvenzen von 18 auf elf. Im Maschinenbau, bei Metallwarenherstellern, in der Energiebranche und im Gesundheitswesen traten jeweils acht Insolvenzen auf. Besonders auffällig ist die Erholung im Autohandel. Nach 13 Insolvenzen im ersten Quartal war im Folgequartal nur noch ein Fall zu verzeichnen. Auch das Baugewerbe für Immobilien sendet ein Zeichen der Stabilisierung: Hier fiel die Zahl der Insolvenzen von 18 auf nur noch vier.
Sanierungen gehen zurück
Bei den Verfahrenslösungen zeigt sich ein deutlicher Rückgang: Mit nur noch 53 gelösten Verfahren sank die Zahl im zweiten Quartal um 22 Fälle. Sowohl die Verkäufe insolventer Unternehmen als auch vorzeitige Betriebsschließungen waren rückläufig. Hintergrund für die wenigen Asset Deals ist der schwache Markt für Übernahmen. Es wurden nur 21 Verkäufe gezählt, was einem Minus von 40 Prozent zum Vorquartal entspricht. Sieben Sanierungen über einen Insolvenzplan entsprachen exakt dem Wert des ersten Quartals.
Von 33 auf 25 verringerte sich die Zahl der Verfahren, in denen das endgültige Aus droht – ein Rückgang um 24 Prozent. Sechs Unternehmen stellten den Betrieb vorzeitig ein, in 19 Fällen wurde Masseunzulänglichkeit angezeigt. Damit stieg die Zahl der „Insolvenz in der Insolvenz“ auf den höchsten Wert seit 2018.
„Die sinkende Zahl von Sanierungen und Übernahmen ist ein deutliches Warnsignal“, so Jonas Eckhardt, „selbst risikoaffine Investoren agieren derzeit abwartend oder sehr selektiv. Wer trotz harter Sanierungsmaßnahmen kein tragfähiges Geschäftsmodell vorweisen kann, wird keine neuen Kapitalgeber finden.“
Sven Carstensen: Der deutsche Immobilienmarkt in der Bewährungsprobe
Der deutsche Immobilienmarkt steht vor einer Zäsur: Hohe Zinsen, teure Baukosten und sinkende Bewertungen setzen Projektentwickler, Baugewerbe und Bestandshalter unter Druck. „Wer auf alte Rezepte setzt, verliert“, warnt Sven Carstensen, Vorstand der bulwiengesa AG im Gespräch mit dem Insolvenzreport. Die Büroflächenleerstände steigen rasant, besonders in Randlagen. Attraktiv sind nur zentrale, hochwertige Bestandsobjekte. In der Logistik bleibt die Nachfrage dagegen hoch, jedoch selektiver: Nur Top-Lagen mit Drittverwendbarkeit sind zukunftsfähig. Im stationären Einzelhandel liegen die Chancen in erlebnisorientierten Konzepten und Multi-Use-Centern. Sven Carstensen sieht Wachstumspotenzial in den Bereichen Bildung, Forschung, Seniorenwohnen und soziale Infrastruktur. Sein Appell lautet: „Ehrliche Bewertungen, realistische Rahmenbedingungen und schnelles, kreatives Handeln sind gefragt. Das Vorkrisenniveau werde nicht zurückkehren. Ein neues Gleichgewicht ist die Zukunft.“
Über den Insolvenzreport „5 nach 12“
Die Restrukturierungsberatung Falkensteg recherchiert für den Insolvenzreport alle drei Monate das Insolvenzgeschehen. Dazu werden Informationen des Insolvenz-Portals, der Creditreform, des Statistischen Bundesamtes sowie von Insolvenzverwaltern ausgewertet und mit eigenen Analysen ergänzt. Während andere Statistiken die eröffneten Insolvenzverfahren auswerten, konzentriert sich der Insolvenzreport auf den früheren Zeitpunkt der Insolvenzanmeldung. Durchschnittlich liegt zwischen der Anmeldung und der Eröffnung ein Zeitraum von zwei bis drei Monaten. Damit dient der Insolvenzreport als Frühindikator bei den Großinsolvenzen.