5-NACH-12 | FINANCE INSOLVENZREPORT: Großinsolvenzen im langfristigen Aufwärtstrend
43 Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 20 Millionen Euro haben im ersten Quartal 2024 einen Insolvenzantrag gestellt.
Das sind knapp 16 Prozent oder acht Insolvenzen weniger als im Vorquartal, wie aus dem Insolvenzreport der Unternehmensberatung Falkensteg hervorgeht. Der Rückgang ist typisch für den Jahresbeginn. Im Langzeitverlauf zeigen die Insolvenzzahlen dagegen deutlich nach oben. Im Vergleich zum Vorjahresquartal stieg die Zahl der Anträge um 16 von 27 auf 43 Insolvenzen – ein Plus von 60 Prozent. Gleichzeitig übertrifft der Q1-Wert den Fünfjahresdurchschnitt um neun Fälle.
„Der Rückgang der Insolvenzzahlen wird nur von kurzer Dauer sein, denn zum Jahresanfang gibt es immer diesen Sägezahnverlauf. Wir gehen viel mehr von einem deutlichen Anstieg in diesem Jahr aus“, so Studienautor und Falkensteg-Partner Jonas Eckhardt. Vor allem das anhaltende Null-Wachstum und die hohen Finanzierungskosten setzen die Wirtschaft unter Druck. „Bei vielen Unternehmen laufen die noch günstigen Kreditkonditionen aus und es stehen teure Refinanzierungen an. Diese Mehrkosten werden einige Geschäftsmodelle nicht mehr erwirtschaften können oder die Unternehmen bekommen erst gar keinen Finanzierungsrahmen zur Verfügung gestellt“, prognostiziert Sanierungsexperte Eckhardt.
In der Branchenauswertung liegt die Immobilienbranche mit neun Verfahren an der Spitze. Es folgen die Hersteller von Metallwaren (6), der Einzelhandel und das Gesundheitswesen mit jeweils fünf Insolvenzen. Insbesondere die Kliniken und Pflegeheime haben sich seit rund einem Jahr in der Spitzengruppe etabliert. Künftig könnten aufgrund der zunehmenden Investitionszurückhaltung der Unternehmen auch wieder Automobilzulieferer sowie Maschinen- und Anlagenbauer dazustoßen. „Die Auftragsflaute im Maschinenbau hält schon länger an und positive Signale sind aktuell kaum zu erkennen. Es ist fraglich, wie lange die Unternehmen eine solche Durststrecke überstehen können. Noch lebt man aus dem historisch hohen Auftragsbestand und nutzt notfalls das Instrumentarium der Kurzarbeit. Das ist allerdings kein erfolgversprechender Dauerzustand“, so Jonas Eckhardt.
Weiterhin wenige Neustarts insolventer Unternehmen
Die erfolgreichen Verfahrensausgänge durch einen Asset Deal oder Insolvenzplan bleiben auch Anfang 2024 auf niedrigem Niveau. Im ersten Quartal 2024 konnte lediglich für 16 insolvente Unternehmen eine Fortführungslösung gefunden werden, ein Unternehmen mehr als im Vorquartal. Im Fünfjahresdurchschnitt enden immerhin 20 Verfahren innerhalb eines Quartals positiv. Während die Verkäufe im ersten Quartal auf elf Fälle sanken, stiegen die Insolvenzplanlösungen von drei auf fünf.
„Derzeit gibt es kaum noch Käufer. Gerade die steigenden Finanzierungskosten halten die Investoren von einer Unternehmenstransaktion ab. Sie greifen nur zu, wenn das hinzukommende Unternehmen das eigene Geschäftsmodell perfekt ergänzt. Zudem bemerken wir, dass vielfach der Optimismus für den schnellen wirtschaftlichen Aufschwung schwindet und damit der psychologisch wichtige Kaufimpuls fehlt“, erklärt Eckhardt die Zurückhaltung von Investoren. Die Neustarts dürften deshalb in den kommenden Monaten auf dem aktuellen Stand verharren oder sogar weiter zurückgehen.
Neben dem Einbruch bei den erfolgreichen Fortführungen stehen auch immer mehr Unternehmen vor dem endgültigen Aus. Neun Unternehmen mussten ihren Geschäftsbetrieb vorzeitig schließen. Das sind zwei Unternehmen mehr als im Vorquartal. Die Anzeigen über die Masseunzulänglichkeit fielen von drei auf zwei. Damit liegt die Zahl der Unternehmen, die nur noch geringe Überlebenschancen haben, im ersten Quartal 2024 bei elf Verfahren und damit deutlich über dem Fünfjahresdurchschnitt. Durchschnittlich haben seit 2019 nur neun Insolvenzen pro Quartal einen frühen negativen Verlauf genommen.
Harry Gatterer (Zukunftsinstitut): Unternehmen sind auf die Neue Welt nicht vorbereitet
„Deutschland versucht, dem globalen Wandel mit Überregulierung zu begegnen. Dabei bräuchten die Unternehmen gerade jetzt mehr Freiräume, um auf die Dynamik des Welthandels reagieren zu können“, meint Harry Gatterer, Geschäftsführer des Zukunftsinstituts im Interview mit dem Insolvenzreport. Der Forscher vermisse zudem in vielen Unternehmen ein Lagebild der komplexen Situation und sieht einen Führungsstil, der nach wie vor auf Beständigkeit ausgerichtet ist. Dagegen müssten gerade jetzt die Adaptionsfähigkeit und die Technologieaffinität gesteigert werden.
Über den Insolvenzreport „5 nach 12“
Die Restrukturierungsberatung Falkensteg recherchiert für den Insolvenzreport alle drei Monate das Insolvenzgeschehen. Dazu werden Informationen des Insolvenz-Portals, der Creditreform, des Statistischen Bundesamtes sowie von Insolvenzverwaltern ausgewertet und mit eigenen Analysen ergänzt. Während andere Statistiken die eröffneten Insolvenzverfahren auswerten, konzentriert sich der Insolvenzreport auf den früheren Zeitpunkt der Insolvenzanmeldung. Durchschnittlich liegt zwischen der Anmeldung und der Eröffnung ein Zeitraum von zwei bis drei Monaten. Damit dient der Insolvenzreport als Frühindikator bei den Großinsolvenzen.