5-NACH-12 | FINANCE INSOLVENZREPORT: Verschnaufpause zu Jahresbeginn, aber Zahlen bleiben historisch hoch
Die Zahl der Insolvenzanträge von Großunternehmen hat nach einem beispiellosen Anstieg der Insolvenzanträge im Schlussquartal 2024 eine Verschnaufpause eingelegt.
Im Zeitraum Januar bis März 2025 wurden 101 Insolvenzanträge von Unternehmen mit einem Umsatz ab 10 Millionen Euro gestellt. Das entspricht einem Rückgang von 14 Prozent gegenüber dem Rekord- und Vorquartal Q4/2024, in dem noch 117 Anträge registriert wurden. Dennoch markiert dieser Wert den zweithöchsten Quartalsstand der vergangenen fünf Jahre. Selbst während der Corona-Pandemie lagen die Insolvenzzahlen um rund zehn Prozent niedriger, so der Insolvenzreport der Restrukturierungsberatung Falkensteg. Der Report analysiert die Insolvenzen von Unternehmen mit einem Umsatz größer 10 Mio. Euro.
Verglichen mit dem Vorjahresquartal Q1/2024 ist die Zahl der Insolvenzanträge um 28 Prozent gestiegen (Q1/2024: 79 Anträge). Der Fünf-Jahresdurchschnitt liegt bei 67 Insolvenzen pro Quartal. Damit startet das Jahr 2025 mit einem Plus von 57 Prozent gegenüber dem Mittelwert der vergangenen fünf Jahre.
Bauinsolvenzen steigen gegen den Trend
Auffällig ist die Entwicklung in den einzelnen Branchen. Während die Zahl der Insolvenzen in der Automobilindustrie deutlich von 25 auf zwölf Fälle zurückging, führen Bauunternehmen für den Ausbau von Gebäuden mit 17 Insolvenzen das Feld an – und verzeichnen damit sogar einen leichten Anstieg entgegen dem Gesamttrend. Jeweils zehn Insolvenzanträge wurden bei Metallwarenherstellern, Kunststoffproduzenten und im Autohandel registriert. Während sich die Lage bei Metallwarenherstellern mit einem Rückgang von 58 Prozent entspannt, blieb die Zahl im Kunststoffsektor konstant. Der Autohandel hingegen verzeichnete eine Verdopplung der Insolvenzanträge.
Schwache Konjunktur und Unsicherheit bleiben Insolvenztreiber
Der Rückgang der Großinsolvenzen steht im Kontrast zur allgemeinen Entwicklung: Über alle Umsatzklassen hinweg wurden im ersten Quartal 2025 insgesamt 5.191 Unternehmensinsolvenzen beantragt – ein Anstieg von 14,8 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Die schwache Konjunktur und die hohe Unsicherheit bleiben damit wesentliche Treiber der Insolvenzentwicklung. Eine Trendwende ist nicht in Sicht. Vielmehr könnte 2025 das vierte Jahr in Folge mit steigenden Insolvenzzahlen werden. Im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie droht sich die Zahl der Unternehmenspleiten mehr als zu verdoppeln.
„Staatliche Investitionen und wirtschaftspolitische Reformen für mehr Stabilität müssen schnellstens starten. Mit dem geplanten 500-Milliarden-Euro-Infrastrukturfonds und der Lockerung staatlicher Hürden kann die Politik neue finanzielle Spielräume schaffen und der deutschen Wirtschaft Impulse geben. Andererseits drohen die US-Zölle das ohnehin schwache Wirtschaftswachstum weiter zu dämpfen oder sogar zum Stillstand zu bringen. Die allgemeine Unsicherheit im Markt ist aktuell einfach enorm“, meint Studienautor und Falkensteg Partner Jonas Eckhardt.
Unternehmensrettungen fallen – Rekordwert seit 2018 bei Betriebseinstellungen
Im ersten Quartal 2025 wurden insgesamt 65 Verfahrenslösungen bei den Großinsolvenzen verzeichnet – fünf mehr als im Vorquartal. Dieser Anstieg ist jedoch maßgeblich auf eine Zunahme negativer Verfahrensausgänge zurückzuführen. Während die Zahl der Unternehmensverkäufe an Investoren mit 28 stabil blieb, sank die Anzahl der erfolgreichen Sanierungen über Insolvenzpläne deutlich: Nur noch sechs Unternehmen konnten mit Zustimmung der Gläubiger saniert werden, verglichen mit zehn Fällen im Vorquartal.
Deutlich ist der Anstieg der Verfahren, in denen das endgültige Aus droht: Die Zahl stieg von 21 auf 31, ein Plus von 47 Prozent. 14 Unternehmen stellten ihren Geschäftsbetrieb vorzeitig ein, in 17 Verfahren wurde Masseunzulänglichkeit angezeigt. Der aktuelle Quartalswert ist der höchste seit 2018 und liegt 72 Prozent über dem Fünfjahresdurchschnitt.
„Der Strukturwandel und die Konjunkturflaute insbesondere in den Schlüsselbranchen forcieren den Negativtrend bei den Verfahrensausgängen“, erklärt der Restrukturierungsexperte Jonas Eckhardt. Darüber hinaus schwindet seit mehr als einem halben Jahr die Bereitschaft der Gläubiger, Sanierungen über Insolvenzpläne zuzustimmen, oder von Investoren, in Krisenunternehmen einzusteigen. „Die deutsche Wirtschaft bleibt im Krisenmodus, denn die Entwicklung zeigt die angespannte wirtschaftliche Lage. Immer mehr Unternehmen droht das endgültige Aus“, so Eckhardt. Die Rettungsquote der Unternehmen, die 2023 Insolvenz anmelden mussten, ist von Januar bis zum 30. März 2025 verfahrensbedingt um einen Prozentpunkt auf 47 Prozent gestiegen. Zu Jahresbeginn 2024 lag die Überlebensquote noch um sechs Prozentpunkte höher.
Dieter Schorr: Paradigmenwechsel: ZF verschärft Auswahl und Monitoring von Zulieferern
ZF begegnet den aktuellen Herausforderungen in der Automobilzulieferindustrie mit einer konsequenten Neuausrichtung des Lieferantenmanagements. Dieter Schorr, Vice President Risk and Pension Management, betont im Interview mit dem Insolvenzreport den Paradigmenwechsel: Neben Preis rücken Bonität und Stabilität der Partner in den Fokus. Das Financial Risk Management verfügt über ein Vetorecht bei zentralen Entscheidungen und bewertet Lieferanten kontinuierlich. Im Krisenfall greift ZF auf funktionsübergreifende Standardprozesse zurück, analysiert Ursachen und prüft gezielt Investoren. Ziel ist eine resiliente, zukunftsfähige Lieferkette.
Über den Insolvenzreport „5 nach 12“
Die Restrukturierungsberatung Falkensteg recherchiert für den Insolvenzreport alle drei Monate das Insolvenzgeschehen. Dazu werden Informationen des Insolvenz-Portals, der Creditreform, des Statistischen Bundesamtes sowie von Insolvenzverwaltern ausgewertet und mit eigenen Analysen ergänzt. Während andere Statistiken die eröffneten Insolvenzverfahren auswerten, konzentriert sich der Insolvenzreport auf den früheren Zeitpunkt der Insolvenzanmeldung. Durchschnittlich liegt zwischen der Anmeldung und der Eröffnung ein Zeitraum von zwei bis drei Monaten. Damit dient der Insolvenzreport als Frühindikator bei den Großinsolvenzen.