5-NACH-12 | FINANCE INSOLVENZREPORT: Unternehmenspleiten steuern auf Rekordstand zu

Die wirtschaftliche Großwetterlage hat sich erneut erheblich eingetrübt.

Nach einer kurzen Stabilisierungsphase verzeichneten die Insolvenzanmeldungen großer Unternehmen (Umsatz über zehn Millionen Euro) im dritten Quartal einen sprunghaften Anstieg. Mit 114 Insolvenzen in den Monaten Juli bis September zeigt sich ein Plus von 24 Prozent gegenüber dem Vorquartal, wie aus dem Insolvenzreport der Transformationsberatung Falkensteg hervorgeht. Für das Gesamtjahr 2025 erwarten die Experten von Falkensteg einen Anstieg um 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr – es wäre die fünfte Jahressteigerung in Folge.

Metallwarenindustrie und Zulieferer unter Druck
Im dritten Quartal zeigen sich erhebliche sektorale Branchenunterschiede. Die Metallwarenhersteller sind am härtesten getroffen: Mit 19 Insolvenzen liegt deren Zahl deutlich über dem dreijährigen Durchschnitt von elf Fällen. Automobilzulieferer und Elektrotechnik-Unternehmen verzeichnen jeweils zwölf Insolvenzfälle.

Auch der Energiesektor leidet erheblich – vor allem die Solarunternehmen mit elf Insolvenzen prägen die Entwicklung. Ebenso bemerkenswert ist die Situation im Immobiliensektor, wo Ausbau-Unternehmen mit elf Insolvenzfällen ebenfalls unter massivem Druck stehen. Eine Entspannung deutet sich allein bei den Kunststoff-Herstellern an, die mit sechs Fällen lediglich einen leichten Überhang zum dreijährigen Durchschnitt aufweisen.

Mittelständische und große Konzerne am stärksten betroffen
Die Entwicklung in den oberen Umsatzklassen verdeutlicht das Ausmaß der angespannten Situation. Bei Unternehmen mit mehr als 100 Millionen Euro Jahresumsatz verdoppelten sich die Insolvenzanträge nach zwei schwachen Quartalen auf 14 Fälle. In der Umsatzklasse zwischen 50 und 99 Millionen Euro stieg die Zahl der Insolvenzanträge um 80 Prozent auf 18. Nur in der Umsatzklasse zwischen zehn und 49 Millionen Euro fiel der Zuwachs mit durchschnittlich neun Prozent moderater aus.

Im Gesamtjahr wird 450er-Marke übertroffen
Besonders alarmierend ist die Bilanz für das gesamte Jahr: Studienautor und Falkensteg-Partner Jonas Eckhardt erwartet, dass die Marke von 450 Großinsolvenzen übertroffen wird. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres betrug die Zahl der Insolvenzen noch 378 – ein Anstieg von rund 20 Prozent. „In Branchen wie dem Maschinenbau, der Automobilindustrie, der Kunststoffindustrie, der Elektrotechnik und der Solarbranche können die Steigerungsraten noch deutlich höher ausfallen. Beim Bau von Immobilien, im Einzelhandel und in der Modeindustrie sinken dagegen die Zahlen, nachdem sie in den beiden Vorjahren Rekordwerte erreicht hatten“, so Eckhardt.

Die Zahlen deuten auf eine sich verfestigende Strukturkrise in mehreren Wirtschaftszweigen hin. Bemerkenswert ist, dass gerade größere und mittlere Unternehmen – die wirtschaftlichen Leistungsträger – zunehmend in Schwierigkeiten geraten. „Der Aufwärtstrend wird auch 2026 anhalten. Noch sind keine Auswirkungen des Sondervermögens für Infrastruktur erkennbar und echte Reformen beispielsweise beim Kündigungsschutz sowie Bürokratieabbau finden nicht statt. Inzwischen breitet sich in vielen Unternehmen Enttäuschung über die Rahmenbedingungen des Standorts Deutschland aus“, so der Restrukturierungsexperte.

Insolvente Firmen finden wieder zunehmend neue Wege durch Verkäufe
Die Lösungsfindung im Insolvenzgeschehen zeigt im dritten Quartal 2025 ein positives Bild. Mit 80 gelösten Insolvenzverfahren wurde ein Plus von 21 Prozent gegenüber dem Vorquartal erzielt. Davon konnten 50 Unternehmen durch einen Asset Deal oder einen Insolvenzplan weitergeführt werden. Der Verkauf insolventer Unternehmen erholte sich nach einem Einbruch im zweiten Quartal deutlich: Mit 34 Vollzügen kehrte der Markt zur Normalität zurück. Noch stärker ist die Entwicklung bei Sanierungen über Insolvenzpläne – diese verdoppelten sich auf 16 Fälle. Parallel dazu sank die Zahl der Verfahren mit drohendem endgültigem Aus auf 30 – ein Rückgang, der die verbesserten Chancen einzelner Krisenunternehmen widerspiegelt.

Prof. Dr. Jens Boysen-Hogrefe (Kiel Institut): Konjunktur Deutschland: Zwischen Stagnation und Aufbruch
Die deutsche Wirtschaft steckt in einer strukturellen Blockade. Während Industrieproduktion und Investitionen binnen fünf Jahren historisch beispiellos eingebrochen sind, verschärft sich der Druck von außen: China überholt im Fahrzeug- und Maschinenbau, die USA als wertvollste Stütze des Außenhandels bedrohen durch den andauernden Zollkonflikt. Der 15. Fünfjahresplan Chinas zielt explizit auf technologische Unabhängigkeit – weitere Exportrückgänge sind vorprogrammiert.

Prof. Jens Boysen-Hogrefe vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel sieht eine der Ursachen im selbstverschuldeten Regulierungsdschungel. Restriktive Gesetze treiben Innovationen ins Ausland, überzogener Datenschutz verhindert Behördeneffizienz und bindet Fachkräfte. Der Kündigungsschutz lähmt unternehmerische Risikobereitschaft – dabei sei genau diese jetzt gefordert.

Hinweis zur Methodik
Ab 2025 werden im Insolvenzreport Unternehmen ab einem Umsatz von 10 Millionen Euro (statt wie bisher ab 20 Millionen Euro) erfasst. Ein Vergleich mit früheren Ausgaben ist daher nur eingeschränkt möglich.

Über den Insolvenzreport „5 nach 12"
Die Restrukturierungsberatung Falkensteg recherchiert für den Insolvenzreport alle drei Monate das Insolvenzgeschehen. Dazu werden Informationen des Insolvenz-Portals, der Creditreform, des Statistischen Bundesamtes sowie von Insolvenzverwaltern ausgewertet und mit eigenen Analysen ergänzt. Während andere Statistiken die eröffneten Insolvenzverfahren auswerten, konzentriert sich der Insolvenzreport auf den früheren Zeitpunkt der Insolvenzanmeldung. Durchschnittlich liegt zwischen der Anmeldung und der Eröffnung ein Zeitraum von zwei bis drei Monaten. Damit dient der Insolvenzreport als Frühindikator bei den Großinsolvenzen.