Automobilwoche: Zulieferer im Überlebenskampf
30 Prozent mehr Insolvenzen 2025 in Deutschland bei den Automobilzulieferern und drastischer Stellenabbau bis 2030 erwartet
Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland ist zur Jahresmitte 2025 auf den höchsten Stand seit sieben Jahren gestiegen. Besonders stark betroffen sind die Branchen Elektrotechnik und Automobilzulieferer, wie eine exklusive Auswertung der Restrukturierungsberatung Falkensteg in der Automobilwoche zeigt. Beide Segmente verzeichneten im zweiten Quartal jeweils elf Insolvenzen.
Höchster Stand seit 2018
Insgesamt registrierte Falkensteg zur Jahresmitte 207 Firmenpleiten und damit rund 21 Prozent mehr als im bisherigen Rekordjahr 2024. Nach drei Quartalen mit steigenden Zahlen sank die Zahl der Insolvenzen zwar im zweiten Quartal auf 82 Fälle (nach 125 im Vorquartal), die Gesamttendenz bleibt jedoch eindeutig: Die Entwicklung zeigt weiter nach oben.
Vor allem in der Automobilbranche macht sich der Transformationsdruck bemerkbar. Zahlreiche Zulieferer kämpfen mit sinkenden Margen, hohen Investitionskosten für den Umstieg auf Elektromobilität und einer anhaltend zurückhaltenden Nachfrage. Zu den prominenten Fällen gehören Bohai Trimet, Boryszew Kunststofftechnik und die AE Group – zusammen rund 1.800 betroffene Mitarbeiter.
Hersteller zeigen harte Linie
Aus Sicht von Branchenexperten verstärken die Fahrzeughersteller den Druck auf ihre Zulieferer. „Die OEMs sind zunehmend bereit, schwächere Anbieter aus dem Markt ausscheiden zu lassen“, sagt Jonas Eckhardt, Partner bei Falkensteg und Autor der Studie. In Deutschland gebe es nach Jahren der Überinvestitionen deutliche Überkapazitäten. Viele Unternehmen hätten große Summen in neue Produktionslinien für Elektromodelle gesteckt, könnten diese aber derzeit nur unzureichend auslasten.
Für reine Verbrenner-Zulieferer sind die Perspektiven besonders düster. Ihnen fehlen Investoren und Zukunftsaussichten. Sanierungen scheitern häufig, Übernahmen sind seltener geworden. Laut Falkensteg sank die Zahl der sogenannten Verfahrenslösungen – etwa durch Verkäufe oder Betriebsfortführungen – im zweiten Quartal auf 53 Fälle, 22 weniger als im Vorquartal.
Tiefe Einschnitte bei Beschäftigtenzahlen
Die Krise der deutschen Automobilzulieferindustrie hinterlässt zunehmend tiefe Spuren – sowohl in den Bilanzen als auch am Arbeitsmarkt. Neben der wachsenden Zahl von Insolvenzen mehren sich drastische Spar- und Personalabbaupläne großer Konzerne.
Beim Zulieferer ZF sollen bis 2030 rund 7.600 Stellen in Deutschland wegfallen – das entspricht gut einem Drittel der Arbeitsplätze in der Antriebssparte, die trotz Umstrukturierungen im Konzern verbleiben soll. Insgesamt rechnet der Konzern mit dem Abbau von bis zu 14.000 Jobs. Auch bei Bosch setzt sich die Schrumpfung fort: Bis Ende 2030 sollen 13.000 Stellen gestrichen werden, betroffen ist insbesondere der Bereich „Mobility“.
Frank Schwope, Lehrbeauftragter für Automotive Management an der FHM Berlin, erwartet mit Blick auf die aktuelle Entwicklung einen Rückgang auf 200.000 oder sogar weniger Beschäftigte in der deutschen Automobilzulieferindustrie bis 2030. Laut dem Verband der Automobilindustrie (VDA) waren es 2024 noch rund 267.000 Beschäftigte.
Trübe Aussichten auch für 2026
Falkensteg geht davon aus, dass die Zahl der Insolvenzen im Zuliefersektor im Gesamtjahr um rund 30 Prozent steigen wird. „Selbst wenn die angekündigten Reformen wirken und die Weltwirtschaft anzieht, wird sich das nicht so schnell in den Bilanzen zeigen“, sagt Eckhardt. „Die tiefgreifenden Strukturprobleme bleiben bestehen.“
Tatsächlich dominieren strukturelle Themen das Bild: Lieferkettenanpassungen, Investitionsstau bei Digitalisierung und Energieeffizienz sowie der beschleunigte Technologiewandel setzen den Mittelstand zunehmend unter Druck. Gleichzeitig verhalten sich Investoren derzeit vorsichtig. „Wer kein tragfähiges Geschäftsmodell nachweisen kann, findet derzeit kaum frisches Kapital“, warnt Eckhardt.