Wertfindung im Rahmen von Distressed M&A-Prozessen


Unternehmensbewertungen in Krisensituationen folgen eigenen Regeln. Bei der Bewertung notleidender Unternehmen sind dabei besonders die rechtlichen Rahmenbedingungen in Distressed M&A-Prozessen zu beachten. Die Schaffung eines Bieterwettbewerbs über einen strukturierten M&A-Prozess stellt einen zusätzlichen Werthebel dar.

Rahmenbedingungen einer Unternehmensbewertung in Distressed M&A-Prozessen

Der Wert wirtschaftlich stabiler Unternehmen leitet sich aus deren zukünftig erzielbaren Zahlungsüberschüssen (Cashflows) ab. In Krisensituationen hingegen sind Unternehmen unzähligen herausfordernden Rahmenbedingungen ausgesetzt, die eine zuverlässige Prognose erwartbarer Cashflows nicht zulässt. Somit werden klassischen Methoden der Unternehmensbewertung die methodische Grundlage zumindest in Teilen entzogen. Hierzu gehören u.a. rückläufige Umsätze, mangelnde Liquidität oder die Gefahr der Abwanderung wesentlicher Know-how- und Umsatzträger. In vielerlei Krisensituationen ergeben sich auf Basis von ertragswertorientierten Bewertungsverfahren gar negative Unternehmenswerte, nicht zuletzt durch vom Käufer vorgenommene Risikoabschläge.

Insbesondere bei Distressed M&A-Prozessen, die in der Insolvenz durchgeführt werden, ist die Unternehmenswertfindung geprägt von einem Spannungsfeld zwischen einem substanzwertorientierten Ansatz der Verkäuferin (in der Insolvenz Insolvenzverwalter / Sachwalter) und der üblicherweise Cashflow-orientierten Perspektive potenzieller Erwerber. Die Auflösung dieses Spannungsfelds ist eine Kernanforderung an den mandatierten M&A-Berater.

Hierfür erforderlich ist ein tiefes Verständnis der rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Leitplanken sowohl auf Verkäufer- als auch Käuferseite. Das Ziel des Insolvenzverwalters ist die gemeinschaftliche und maximale Gläubigerbefriedigung. Negative, auf Basis z.B. der DCF (Discounted-Cash-Flow)- oder Multiplikator-Verfahren abgeleitete Unternehmenswerte und somit Kaufpreise stünden logisch in einem Konflikt mit dem Auftrag des Insolvenzverwalters. Erreicht ein Kaufpreisgebot nicht mindestens den gutachterlich festgestellten Liquidationswert der zu veräußernden Vermögensgegenstände, ist der Insolvenzverwalter angehalten die Gläubigerbefriedigung über die Einzelverwertung der Vermögensgegenstände anzustrengen.

Fundiertes Restrukturierungskonzept als Basis für Bewertung in Krisensituation

Zur Auflösung dieses Spannungsfelds trägt vor allem eine Sanierungsplanung auf Ebene der Gewinn- und Verlustrechnung und der Liquiditätsplanung bei. Der Planungshorizont sollte hier je nach Geschäftsmodell zwölf bis 36 Monate betragen. Grundlage für die Sanierungsplanung ist in der Regel ein professionell aufbereitetes Restrukturierungskonzept, das potenziellen Käufern die nachhaltige Sanierungsfähigkeit und künftige Ertragskraft des Unternehmens aufzeigt. In die Sanierungsplanung fließen idealerweise bereits gemeinsam von Unternehmens- und Käuferseite abgestimmte Prämissen ein, die so beidseitig Vertrauen aufbauen und zum Abbau des Spannungsfeldes führen.

Eine so abgestimmte Unternehmensplanung kann anschließend als Grundlage einer zukunftsorientierten Unternehmensbewertung dienen.

Transaktionsmechanik: Asset Deal vs. Share Deal

Die Übertragung eines insolventen Unternehmens erfolgt im Asset oder Share Deal – im Insolvenzrecht als Übertragende Sanierung bezeichnet.

Im Rahmen eines Asset Deals werden die betriebs­notwendigen Vermögenswerte (Anlagevermögen, Vorräte, Patente etc.) an eine andere juristische oder natürliche Person übertragen. Die Verbindlichkeiten verbleiben bei der Altgesellschaft. Bei der Übertragenden Sanierung wird der Wert des Unternehmens vertraglich auf Basis der Summe der Einzelwerte festgehalten. Zusätzlich zu den materiellen Vermögenswerten wirken sich immaterielle Faktoren, wie z.B. Kundenstamm, Innovationskraft und andere Alleinstellungsmerkmale als werterhöhend in Form des Goodwills aus.

Alternativ kann die Unternehmensübertragung im Rahmen eines Share Deals erfolgen, hier in der Regel im Kontext eines Insolvenzplans. Innerhalb eines Insolvenzplanverfahren kann das Unternehmen vor der Übertragung der Anteile restrukturiert und entschuldet werden. Dies findet regelmäßig Anwendung bei Unternehmen, bei denen der Erhalt der bestehenden Rechtsverhältnisse opportun erscheint. Beispiele hierfür sind die Aufrechterhaltung bestehender Filialnetze auf Basis von Mietverträgen, an den Rechtsträger gebundene Lizenzen oder die Vermeidung von Risiken aus der Übertragung von Kundendaten. Der Erhalt dieser beispielhaft skizzierten Werttreiber wirkt sich unbedingt werterhöhend auf den erzielbaren Kaufpreis aus, da diese Vermögenswerte im Rahmen eines Asset Deals ansonsten verloren gingen.

Bieterprozess als „echter“ Werttreiber

In der Praxis kulminiert ein M&A-Prozess im für den Verkäufer idealen Fall in einem wertmaximierenden Bieterwettbewerb, egal ob in regulären oder krisennahen M&A-Prozessen. In der Praxis gelingt dies über einen strukturierten Verkaufsprozesses, in dem eine Vielzahl strategisch relevanter Bieter innerhalb einer festgelegten Zeit persönlich und auf Basis professionell aufbereiteter Vermarktungsunterlagen angesprochen wird. Über eine stringente Prozess- und Verhandlungsführung sowie die intensive Begleitung sämtlicher Due-Diligence-Aktivitäten können initiale Interessensbekundungen in enger Abstimmung mit den Gläubigervertretern zu umsetzungsfähigen und idealerweise konkurrierenden Übernahmekonzepten entwickelt werden.

Somit kann die Wahl eines geeigneten M&A-Beraters zu einem zusätzlichen Werttreiber für den erwartbaren Verkaufserlös werden.