Das neue Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz (StaRUG) soll Unternehmen die Möglichkeit geben, sich auf der Grundlage eines von den betroffenen Gläubigern mehrheitlich angenommenen Restrukturierungsplanes zu sanieren. Der Rechtsrahmen schließt die Lücke zwischen einer auf die Zustimmung aller Gläubiger angewiesenen außergerichtlichen Sanierung einerseits und der Sanierung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens andererseits. Mit dem Gesetz soll auch insbesondere den von der COVID-19 Pandemie betroffenen Unternehmen geholfen werden.
Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf bereits verabschiedet. Nun müssen Bundestag und Bundesrat darüber entscheiden. Das Gesetz, das Bestandteil des SanInsFoG (Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetzes) ist, soll am 1. Januar 2021 in Kraft treten.
Welche Unternehmen können das neue Sanierungsverfahren anwenden?
Der neue Restrukturierungsrahmen kann von Unternehmen genutzt werden, die nicht zahlungsunfähig, aber drohend zahlungsunfähig sind. Zentrales Instrument ist die Aufstellung eines Restrukturierungsplans. Die darin enthaltenen Maßnahmen sollen die drohende Zahlungsunfähigkeit beseitigen.
Unternehmen, die einen umsetzbaren operativen Sanierungsaufwand haben, aber die die Schuldenlast auch bei einem dann positiven EBIT nicht tragen können, sind die Hauptzielgruppe des Gesetzes. Dies schließt auch Finanzierungen ein, die im Rahmen der COVID-Hilfen aufgenommen wurden.
Vorteile des Verfahrens
Innerhalb des Restrukturierungsrahmen können Unternehmen die Verhandlungen mit den betroffenen Gläubigern selbst führen und den Restrukturierungsplan selbst zur Abstimmung stellen. Während des Restrukturierungsverfahrens sollen Vollstreckungs- und Verwertungssperren zur Wahrung der Erfolgsaussichten erwirkbar sein. Es müssen nicht alle Gläubiger in das Verfahren einbezogen werden. Die von dem Restrukturierungsverfahren betroffenen Gläubiger müssen nur mehrheitlich dem Restrukturierungsplan zustimmen (75 Prozent Mehrheit).
Das drohend zahlungsunfähige Unternehmen verbleibt auch bei diesem Restrukturierungsverfahren im Driver-Seat. Anders als in bisherigen Sanierungsverfahrens müssen nicht alle Gläubiger den Sanierungsmaßnahmen zustimmen. Somit können auch sogenannte „Akkordstörer“ in den Sanierungsprozess gezwungen werden und durch eine Gläubigermehrheit überstimmt werden. Bei der Nutzung von Vollstreckungs- und Verwertungssperren sowie bei der mehrheitlichen Überstimmung nicht zustimmender Gläubigergruppen muss das Gericht einbezogen werden.
Haftung der Geschäftsführer
Die Haftung der Geschäftsführer im krisenbehafteten Unternehmen wird dahingehend verschärft, dass die Geschäftsführer bereits bei einer drohenden Zahlungsunfähigkeit die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger und der Anteilseigner berücksichtigen müssen. Der Geschäftsführer haftet bei Pflichtverletzung der Gesellschaft gegenüber. Ein Verzicht auf Ersatzansprüche ist unwirksam, soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist.
Die Geschäftsführer werden in ein frühzeitiges Handeln gezwungen, sobald eine drohende Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Dies setzt geeignete Frühwarnsysteme voraus. Die rollierende Unternehmensplanung und insbesondere Liquiditätsplanung haben sich dafür etabliert.
Gestaltungsmöglichkeiten im Restrukturierungsplan
Im Restrukturierungsplan können insbesondere Verbindlichkeiten des Unternehmens sowie Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte an dem Schuldner (bspw. Übertragung von Anteilen im Zuge des Restrukturierungsplans) geregelt werden. Forderungen von Arbeitnehmern und zur betrieblichen Altersvorsorge sind vom Restrukturierungsrahmen ausgeschlossen.
Des Weiteren ist in dem aktuellen Regierungsentwurf die Möglichkeit gegeben, für den Schuldner ungünstige Verträge (bspw. Mietverträge oder Lieferverträge) mit einer Frist von drei Monaten zu kündigen.
Sind umfangreiche Eingriffe hinsichtlich des Personals oder Verbindlichkeiten aus Pensionsverpflichtungen betroffen, bietet der neue Restrukturierungsrahmen keine Sanierungsmöglichkeiten an. In einem solchen Fall müssen sie außerhalb des Restrukturierungsplanes umgesetzt werden oder die Sanierung muss im Rahmen eines Regelinsolvenzverfahrens oder Eigenverwaltungsverfahrens erfolgen.
Der Restrukturierungsplan als Basisinstrument des Restrukturierungsrahmens
Ein Restrukturierungsplan ist das grundlegende Gestaltungsinstrument des Restrukturierungsrahmens. Er besteht aus einem darstellenden und einem gestaltenden Teil. Der darstellende Teil beschreibt die Grundlagen und die Auswirkungen des Restrukturierungsplans. Er enthält alle Angaben, die für die Planbetroffenen und für eine gerichtliche Bestätigung erforderlich sind, insbesondere die Krisenursachen und die zur Krisenbewältigung identifizierten Maßnahmen. Zudem enthält der darstellende Teil insbesondere eine Vergleichsrechnung, in der die Auswirkungen der Restrukturierungsmaßnahmen auf die Befriedigung der Gläubiger dargestellt wird. Die betroffenen Gläubiger dürfen durch den Plan nicht schlechter gestellt werden als in einer anderen Befriedigungslösung (bspw. der Liquidation).
Der gestaltende Teil legt fest, wie die Rechtsstellung der Gläubiger verändert werden soll, insbesondere um welchen Teilbetrag die Verbindlichkeiten gekürzt werden sollen.
Der Restrukturierungsplan gleicht in seiner Ausgestaltung einem Insolvenzplan, wie er auch in gerichtlichen Insolvenzverfahren Anwendung findet. In der Praxis wird er ähnliche Inhalte umfassen, dazu gehören insbesondere die finanzwirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens, die geplanten Sanierungsmaßnahmen und eine integrierte GuV-, Bilanz- und Cashflow-Planung.
Wie kommt ein Plan zur Abstimmung, wie wird er angenommen ?
Die in die Plansanierung einbezogenen Gläubiger werden in Gruppen eingeteilt, die ihre unterschiedliche Rechtsstellung widerspiegeln (bspw. nachrangige Gläubiger/ nicht nachrangige Gläubiger). Der Sanierungsplan wird zur Abstimmung gestellt und gilt als angenommen, wenn innerhalb einer jeden Gruppe mindestens 75 Prozent der Stimmrechte zustimmen. Darüber hinaus muss gruppenübergreifend eine Mehrheit zustimmen.
Der Abstimmungsprozess ist die eigentliche Neuerung in dem nun vorliegenden Restrukturierungsrahmen. Wird nämlich in einer Gruppe die erforderliche Mehrheit für den Restrukturierungsplan nicht erreicht, wird diese Gruppe überstimmt, vorausgesetzt die Mehrheit der abstimmenden Gruppen hat dem Plan zugestimmt.
Einbindung des Gerichts
Das Restrukturierungsverfahren kann mit Einbindung eines Gerichts erfolgen. Hierdurch stehen folgende Instrumente zur Verfügung:
Mit der Einbindung des Gerichts begibt sich der Schuldner unter den Verfahrensschutz des Gerichtes. Er erhält die Möglichkeit, sich ohne Störungen der Gläubiger mit der Sanierung und der Erstellung eines Restrukturierungsplans zu beschäftigen. Die Einbindung des Gerichtes wird erforderlich, wenn eine nicht zustimmende Gruppe überstimmt werden soll oder ungünstige Verträge mit Vertragspartnern beendet werden sollen, die sich gegen eine Kündigung sträuben.
Der Restrukturierungsbeauftragte
Das Gericht kann einen Restrukturierungsbeauftragten bestellen, wenn die Rechte von Verbrauchern oder kleinen oder mittleren Unternehmen berührt werden sollen, oder der Gläubiger eine Stabilisierungsanordnung (Vollstreckungs- und Verwertungssperre) nutzen will. Zudem wird ein Restrukturierungsbeauftragter bestellt, wenn der Restrukturierungsplan eine Überwachung der Erfüllung der Ansprüche, die den Gläubigern zustehen, vorsieht.
Eine Bestellung erfolgt auch dann, wenn ein Restrukturierungsziel nur gegen den Willen von Gläubigern erreicht und deren Zustimmung nur durch den Mehrheitsbeschluss ersetzt werden kann.
Der Restrukturierungsbeauftragte ist ein für den Einzelfall geeigneter, in Restrukturierungs- und Insolvenzsachen erfahrener Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt oder eine sonstige natürliche Person mit vergleichbarer Qualifikation. Der Restrukturierungsbeauftragte kann durch den Schuldner, die Gläubiger oder Anteilseigner vorgeschlagen werden.
Der Restrukturierungsbeauftragte hat unterschiedliche Aufgaben. Er hat dem Gericht Umstände anzuzeigen, die eine Aufhebung des Restrukturierungsverfahrens rechtfertigen, bspw. wenn der Schuldner einen Insolvenzantrag gestellt hat oder schwerwiegend gegen seine Pflichten zur Mitwirkung und Auskunftserteilung gegenüber dem Gericht verstößt. Er kann nach Beauftragung des Gerichtes die wirtschaftliche Lage des Schuldners prüfen und dessen Geschäftsführung überwachen. Der Restrukturierungsbeauftragte kann dazu beauftragt werden, Zahlungen des schuldnerischen Unternehmens zu überwachen oder Zahlungen freizugeben.
Ein Restrukturierungsbeauftragter kann auch fakultativ durch das Gericht bestellt werden, um die Verhandlungen zwischen den Beteiligten zu fördern. Er unterstützt den Schuldner und die Gläubiger bei der Ausarbeitung und Verhandlung des Restrukturierungskonzeptes.
Der Sanierungsmoderator
Auf Antrag des Schuldners kann das Gericht einen Sanierungsmoderator bestellen. Der Sanierungsmoderator wird eingesetzt, wenn die Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens noch nicht in Anspruch genommen werden müssen, etwa wenn alle betroffenen Gläubiger dem Sanierungsvergleich zustimmen. Der Sanierungsmoderator vermittelt zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern bei der Herbeiführung einer Lösung zur Überwindung der wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten. Der Sanierungsmoderator erstattet dem Gericht monatlich einen schriftlichen Bericht. Nimmt der Schuldner die Instrumente des StaRUG in Anspruch (Überstimmung einer dem Plan nicht zustimmenden Gruppe, Vertragsbeendigung ohne Zustimmung der anderen Vertragspartei) wird die Position des Sanierungsmoderators durch den Restrukturierungsbeauftragten ersetzt. Allerdings kann der Sanierungsmoderator ebenfalls zum Restrukturierungsbeauftragten bestellt werden.
Der Sanierungsmoderator und der Restrukturierungsbeauftragte übernehmen eine ähnliche Funktion wie ein Sachwalter in einem Eigenverwaltungsverfahren. Es ist davon auszugehen, dass diese Position zukünftig durch Personen ausgefüllt wird, die auch als gerichtlich bestellte Sachwalter das Vertrauen der Gerichte genießen.
Warum sollten Unternehmen das StaRUG nutzen?
Das neue Sanierungsverfahren wird einen weiteren Baustein des Sanierungsbaukastens bilden. Der wesentliche Vorteil liegt darin, dass Gläubiger in das Sanierungsverfahren gezwungen werden können, die sich bisher gesträubt haben. Tiefgreifende Sanierungen, die wesentliche Eingriffe in den Personalbereich erfordern und sich daher ohne die Nutzung der Sanierungsinstrumente der Insolvenzordnung (Insolvenzgeld, vereinfachter Personalabbau) nicht umsetzen lassen, werden auch zukünftig einem Insolvenzverfahren (Regel- oder Eigenverwaltungsverfahren) den Vorzug geben müssen.