Mit dem verlängerten Lockdown schwindet für den stationären Modeeinzelhandel die Hoffnung auf die rasche Öffnung der Läden. Für viele Händler geht es nun darum, ihre Existenz zu sichern und um die Frage, wie sich die Fixkosten bei ausbleibenden Umsätzen senken lassen. Nachfolgend werden Handlungsempfehlungen zur Überwindung der Krise und für eine strategische Neuausrichtung aufgezeigt. Die beschriebenen kurzfristig umsetzbaren Maßnahmen dienen der Liquiditätssicherung sowie der Kostenreduktion und erhöhen die Chancen eines wirtschaftlichen Überlebens. Mit den dargestellten Optionen zur Restrukturierung lassen sich Modeeinzelhändler wieder nachhaltig wettbewerbsfähig aufstellen. Dabei wird das bekannte, veränderte Einkaufsverhalten berücksichtigt.
Der stationäre Modeeinzelhandel war durch die Verschiebung der Umsätze von der Fläche hin zum Onlinehandel bereits vor Corona stark gefordert. Die Pandemie hat diese Entwicklung unzweifelhaft beschleunigt. Jetzt nutzen auch Käufergruppen das Internet, die den Onlinehandel bisher gemieden haben. Wesentlich wird die aktuelle Situation durch vier Faktoren bestimmt:
Der finanzielle Spielraum der meisten Modeeinzelhändler ist fast ausgereizt. Die bisher aufgelegten Hilfspakete entfalten nur geringe Wirkung oder gehen an der Realität der Händler vorbei. Gleichzeitig sorgen getätigte Investitionen in die Umsetzung von Hygienekonzepten, die Beschaffung von Waren und die Deckung der weiterlaufenden Kosten wie z. B. Mieten für eine angespannte Liquiditätssituation. Viele Händler kennen Krise nicht, hoffen auf staatliche Hilfe und sind unsicher, was die wesentlichen Schritte zur Kostenreduzierung sind. Wichtig ist zunächst, Transparenz herzustellen. Unternehmen sollten eine professionelle Liquiditätsplanung und -steuerung aufsetzen. Grundlage sollte eine rollierende Planung auf Wochenbasis, idealerweise mit Berücksichtigung unterschiedlicher Szenarien sein. Diese dient auch zur Prüfung der Zahlungsfähigkeit. Denn ist die Zahlungsunfähigkeit eingetreten, erhöhen sich die Haftungsrisiken für das Management erheblich. Unternehmen sollten ferner ihre Liquidität stringent steuern, nur so lassen sich unternehmerische Handlungsspielräume erhalten.
Modehändler müssen nun zur Anpassung ihrer fixen Kosten in Verhandlungen mit ihren Geschäftspartnern eintreten. In Zeiten der Pandemie lassen sich für eine im Ganzen existenzbedrohte Branche nur gemeinsame Lösungen in Zusammenarbeit zwischen Unternehmensleitung, Belegschaft, Vermietern und Lieferanten finden. Kurzarbeit, Steuer-Stundungen und Staatshilfen sind dabei der Beginn der Liquiditätsschonung. Allerdings bedarf es zur Bewältigung der Krise weiterer kreativer Lösungen und Maßnahmen.
Eine wesentliche Kostenposition sind die Mieten für die Verkaufsflächen. Grundsätzlich sollte bei Gesprächen mit Vermietern über eine Mietminderung eine konsensfähige Lösung im Sinne einer langfristigen und vertrauensvollen Geschäftsbeziehung angestrebt werden. Allerdings hat der Gesetzgeber die Verhandlungsposition des gewerblichen Mieters Anfang des Jahres durch eine Klarstellung hinsichtlich behördlich veranlasster Schließungen erheblich gestärkt. Die coronabedingte Schließung sei eine Störung der Geschäftsgrundlage – also des Mietvertrages. Dies ermöglicht eine Anpassung, die sich nach der Verteilung der Risiken richtet. So kann es durchaus angemessen sein, Mieten temporär bis max. 50 Prozent zu kürzen. Ob ein laufender Vertrag angepasst werden kann, bedarf jedoch einer juristischen Prüfung.
Auch wenn Unternehmen die Krise wirtschaftlich überstehen, wird es dennoch für den überwiegenden Teil der Modeeinzelhändler notwendig sein, sich mit Hilfe juristischer Verfahren zu restrukturieren. Dies betrifft gerade auch die Restrukturierung der pandemiebedingt verursachten Verbindlichkeiten. Unternehmen stehen ab 2021 zwei Wege offen:
Die Restrukturierung gibt Unternehmen neuen Spielraum, um sich nachhaltig strategisch neu aufzustellen. Hier sollte der Fokus klar auf Digitalisierung liegen. Dabei heißt Digitalisierung nicht gleich reiner Onlinehandel. Denn der stationäre Handel kann sich weiterhin durch das Einkaufserlebnis vom Online-Handel abheben. Die Trümpfe, die der stationäre Handel immer noch hat, liegen in der kompetenten Beratung, der Atmosphäre und dem Erleben der Waren.
Deshalb ist für etablierte Einzelhändler eine hybride Strategie die geeignetste. Das Erlebnis Einkauf sinnvoll mit digitalen Angeboten zu verbinden, schafft Wettbewerbsvorteile. Dies nicht nur gegenüber rein stationären Händlern, sondern gerade auch gegenüber den Online-Riesen. Hier sind kreative Ideen gefragt. Ein Beispiel wäre das Anbieten einer professionellen „offline“ Styling Beratung, welche als Einkaufsprofil für den Online-Shop genutzt wird. Der Kunde würde künftig gemäß seines präferierten Styles über neue Produkte und Trends informiert. Die Ware wird dann bei Bedarf im Shop anprobiert. Hierzu kann online einfach ein passender Termin gebucht werden, sodass die passende Größe und Beratung beim Termin vorhanden sind. Die Digitalisierung der operativen Prozesse, der Datenanalyse für ein tiefgehendes Verbraucherverständnis und der Vertriebswege sind essenziell. Zur Umsetzung benötigen Unternehmen allerdings Handlungsspielraum und Zeit, die durch die zuvor genannten Verfahren geschaffen werden können.
Lesen Sie dazu auch den Artikel in der Wirtschaftswoche: 4-Punkte-Plan: So überleben Modehändler den Corona-Winter