Industrieanzeiger: Szenario-Rechnungen der Unternehmensplanung in Zeiten hoher Unsicherheit
Die Polykrisen setzen den Maschinenbauer und ihren Zulieferern erheblich zu. Wer derzeit keinen genauen Überblick zur aktuellen und zukünftigen Ergebnis- und Liquiditätssituation hat, gerät schnell in Schieflage. Doch wie können Finanzverantwortliche die aktuelle extreme Unsicherheit und damit den möglichen Ergebnis- und Liquiditätsverlauf abbilden und welche Prämissen sind die richtigen?
Die Lösung liegt in der Erstellung von Szenario-Rechnungen im Rahmen der Unternehmensplanung. Falkensteg Partner Wolfram Lenzen zeigt im Industrieanzeiger auf, welche Prozessschritte zu beachten sind. Den kompletten Artikel finden Sie hier.
Mit einer finanzwirtschaftlichen Unternehmensplanung sollen bestandsgefährdende Risiken erkannt werden. Sie besteht aus Gewinn- und Verlustrechnung, Bilanzplanung und Cashflow- oder Liquiditätsplanung. Früher ließ sie sich basierend auf historischen Zahlen fortschreiben. Man spricht hier von einem Trendszenario. Die heutigen dynamischen Veränderungen lassen sich jedoch mit dem klassischen Trendszenario nicht mehr abbilden, da sie praktisch nicht prognostizierbar sind. Vielmehr sind Szenario-Planungen erforderlich, die mögliche Entwicklungen als Annahmen einbeziehen. Dabei werden die Treiber der Szenarien allerdings nicht willkürlich gewählt. Die Szenario-Planung verläuft vielmehr in einem systematischen Prozess, der sowohl die Auswahl der wesentlichen Einflussfaktoren und ihrer Wechselwirkungen als auch die Beschreibung der daraus resultierenden Schlussfolgerungen sowie Maßnahmen umfasst.
Die systematische Szenario-Planung umfasst mehrere, aufeinander aufbauende Prozessschritte. Die wesentlichen Schritte sind die Analyse der Einflussfaktoren, die eigentliche Projektion sowie die Konsequenz-Analyse.
In einem ersten Schritt werden die Faktoren mit dem größten Einfluss auf die Unternehmensplanung untersucht. Die Einflussfaktoren können sich jedoch entweder gegenseitig verstärken oder gegebenenfalls auch aufheben. Demzufolge ist es sinnvoll, sich auf eine begrenzte Anzahl von Einflussfaktoren zu beschränken. Danach folgt die Analyse, mit welchen kurz- und mittelfristigen Unsicherheiten diese behaftet sind. In der aktuellen Situation können dies insbesondere die Umsatzerlöse sein. Eine Investitionszurückhaltung aufgrund der allgemeinen geopolitischen und wirtschaftlichen Lage, sanktionsbedingte Handelsbeschränkungen oder fehlende Lieferkapazitäten, können die Entwicklung stark beeinflussen. Andere Einflussfaktoren können zurzeit im Bereich der Kostenentwicklung bei Einsatz- und Rohstoffen oder deren Verfügbarkeit liegen. Auch ein starker Anstieg der Frachtraten kann derzeit für die Szenario-Planungen relevant sein. Andererseits sind staatliche Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen zu berücksichtigen.
Im zweiten Schritt, der Trendprojektion, erfolgt die eigentliche Prognose. Es werden mehrere mögliche Entwicklungspfade für die identifizierten Einflussfaktoren beschrieben. Da es eine Vielzahl von Entwicklungspfaden geben kann, bietet es sich in der Regel an, die Unternehmensplanung in drei Szenarien darzustellen – einem Basisszenario, einem optimistischen Szenario (Best Case) und einem pessimistischen Szenario (Worst Case). Das Basisszenario schreibt den bisherigen Trend fort. In der aktuellen Situation mit den volatilen Rahmenbedingungen kann es je nach Planungshorizont sinnvoll sein, von diesem Ansatz abzuweichen. Hier könnte etwa der aktuelle Status quo der Umsatzentwicklung oder der Preisentwicklung der Einsatzstoffe als Basisszenario dienen. Das optimistische Szenario wäre dann die Rückkehr zum Vorkrisenniveau. Im pessimistischen Szenario verschlechtern sich nochmals die Einflussfaktoren bis zu einem möglichen Totalausfall der Produktion oder Lieferung. Die Unternehmensplanung zeigt nun auf, wie sich die Ertrags- und Liquiditätssituation in den drei unterschiedlichen Szenarien entwickeln kann. In der Konsequenzanalyse wird daher untersucht, welche Chancen und Risiken sich aus den Ergebnissen der Szenarioanalysen ergeben. Daraus sind Maßnahmen und Handlungsoptionen abzuleiten. Je nachdem, welchem Szenario sich die tatsächliche Entwicklung annähert, kann so frühzeitig eine Bestandsgefährdung für das Unternehmen erkannt werden. Dies ermöglicht die Umsetzung der bereits in der Konsequenz-Analyse erarbeiteten Gegenmaßnahmen sowie die Vermeidung von Haftungstatbeständen gemäß der eingangs beschriebenen Verpflichtung der Geschäftsführung bzw. des Vorstands, ein Überwachungssystem zur Erkennung bestandsgefährdender Risiken einzurichten.