Sanierung in der Insolvenz: Strukturierter Investorenprozess als Handlungsoption

Ein Insolvenzantrag wird von den betroffenen Geschäftsführern nach wie vor als allgemeines Scheitern empfunden.

Das Insolvenzrecht eröffnet jedoch durch verschiedene Verfahren und Maßnahmen einen Handlungsspielraum, um den Geschäftsbetrieb trotz Insolvenzantrag nachhaltig zu sanieren. Hierfür wird frisches Eigenkapital benötigt, das durch einen Investoreneinstieg generiert werden kann. Insolvenzverwalter stellen dem Geschäftsführer in vielen Fällen einen erfahrenen M&A-Berater an die Seite, der einen strukturierten Investorenprozess in der Insolvenz (Distressed M&A-Prozess) aufsetzt. Aufgrund der angespannten Liquidität entsteht für diesen Investorenprozess zumeist eine herausfordernde Zeitschiene von 3 – 4 Monaten, welche sich auf vier wesentliche Projektphasen verteilt.

Die vier Phasen eines Distressed M&A-Prozesses

Phase 1: Vorbereitung

In der ersten Wochen nach der Mandatierung des M&A-Beraters müssen die sorgfältige Prüfung des Unternehmens (Due Diligence) und die Investorenansprache vorbereitet werden.

Vorbereitung Investorenansprache

Auf der Basis von datengetriebenen Marktanalysen im hauseigenen Research sowie Erfahrungswerten und Netzwerken aus vorherigen M&A-Prozessen erstellt der M&A-Berater eine Liste mit möglichen Investoren (Longlist). Diese wird eng mit dem Geschäftsführer abgestimmt. Bei der Aufstellung werden nachfolgende Fragen berücksichtigt: Mit welchen Marktbegleitern könnten Synergieeffekte geschaffen werden? Könnte eine Akquisition für einen Lieferanten in Frage kommen? Für welche Kunden könnte eine Vertiefung der Wertschöpfungskette sinnvoll sein? Dies sind Punkte, welche gemeinsam durchdacht und diskutiert werden müssen, um ein schlagkräftiges Investorenspektrum zu definieren und so die Erfolgschancen des Unternehmensverkaufs zu erhöhen. Für die Investorenansprache wird vom Berater dann ein sogenannter Teaser erstellt. Dieser umfasst eine Kurzpräsentation über das Unternehmen sowie den Ablauf des Investorenprozesses.

Vorbereitung Due Diligence

Innerhalb der Due Diligence prüfen die angesprochenen Investoren nach Unterzeichnung einer Vertraulichkeitsvereinbarung die wirtschaftlichen, rechtlichen, und finanziellen Verhältnisse des insolventen Unternehmens. Hierfür stellt der Geschäftsführer dem Berater umgehend eine Liste mit Informationen (Requestlist) wie beispielsweise den aktuellen BWA oder einer anonymisierten Personalliste bereit. Die Daten werden aufbereitet und an die Investoren in Form einer Unternehmenspräsentation (Informationsmemorandum) über einen virtuellen Datenraum zur Verfügung gestellt. Ziel der Vorbereitung ist es, gemeinsam eine Investmentstory zu erarbeiten. Diese zeigt den möglichen Investoren eine Unternehmensplanung auf, wie das Geschäftsmodell nach der Umsetzung der definierten und eingeplanten Sanierungsmaßnahmen zukunftsfähig aufgestellt werden kann.

Phase 2: Investorenansprache

Auf Basis der Erkenntnisse der Vorbereitungsphase und mit den final abgestimmten Prozessunterlagen startet in der zweiten Woche die zielgerichtete Investorenansprache. Häufig kann der Berater auf vorhandene Branchenkontakte und auf ein Netzwerk von spezialisierten Finanzinvestoren zurückgreifen. Der Geschäftsführer hat zumeist einen persönlichen Draht zu Entscheidungsträgern bei den Marktbegleitern des Unternehmens. Aufgrund der engen Zeitschiene und der häufig langen Entscheidungswege in Industrieunternehmen sind die persönliche Kontaktaufnahme und das frühzeitige Nachfassen die zentralen Faktoren einer qualitativ hochwertigen Investorenansprache. Das Ziel der Ansprache ist es, die definierten Kandidaten auf der Longlist schnellstmöglich in den Due-Diligence-Prozess aufzunehmen.

Phase 3: Due Diligence

Nach der Unterzeichnung der Vertraulichkeitsvereinbarung erhalten die Investoren für die Due-Diligence-Phase das Informationsmemorandum sowie den Zugang zum virtuellen Datenraum.

Q&A-Sessions

Anhand der bereitgestellten Informationen ergeben sich zumeist Rückfragen und weitere Datenanfragen. Diese nimmt der M&A-Berater auf und beantwortet sie in Abstimmung mit dem Geschäftsführer.

Investorentermine

Im nächsten Schritt koordiniert der M&A-Berater Investorentermine, die er gemeinsam mit dem Geschäftsführer vor Ort im Unternehmen wahrnimmt. Für einen möglichen Eigenkapitalgeber ist es in der Due Diligence in der Regel unabdingbar, die Prozesse im Unternehmen, die Entscheidungsträger und die zweite Managementebene persönlich kennen zu lernen und die Investmentstory auf Herz und Niere in verschiedenen Workshops zu hinterfragen. Potenzielle Investoren müssen innerhalb kürzester Zeit ein gutes Gefühl für die Stimmung im Unternehmen erhalten. Um eine Investitionsentscheidung treffen zu können, plausibilisieren sie die Finanzkennzahlen sowie die Unternehmensplanung und entwickeln vor Ort mit der bestehenden Führungsmannschaft mögliche Restrukturierungspotenziale.

Involvieren von weiteren Stakeholdern

Für den erfolgreichen Transaktionsabschluss müssen die verschiedenen Stakeholder frühzeitig in den Investorenprozess mit einbezogenen werden. Die Kunden oder Arbeitnehmervertreter (Betriebsrat oder Gewerkschaft) sind wichtige Verhandlungspartner für die Umsetzung der neu erstellten Unternehmensplanung. Mit welchen Umsätzen kann ein Investor kalkulieren? Gibt es Möglichkeiten das Schicht-System in der Fertigung anzupassen? Falkensteg versteht die Rolle des M&A- Beraters in diesem Zusammenhang als „Prozesskümmerer“, der gemeinsam mit dem Geschäftsführer die konträren Stakeholder-Interessen versucht zu vereinen und so die Transaktion und Sanierung des Geschäftsbetriebs zu ermöglichen.

Abgabe eines bindenden Angebots und Kandidatenauswahl

Die Due-Diligence-Phase endet mit der Abgabe von verbindlichen Kaufangeboten der potenziellen Investoren und der anschließenden Kandidatenauswahl. Der M&A-Berater kann vor den finalen Kaufvertragsverhandlungen mit der Insolvenzverwaltung gezielt als Sparringspartner und Brückenbauer auftreten und mit den Investoren den Zielpreiskorridor sowie die einzelnen Parameter des Übernahmekonzepts verhandeln. Die verschiedenen Angebote werden im Nachgang vom M&A-Berater für die Insolvenzverwaltung im Hinblick auf die maximale Gläubigerbefriedigung ausgewertet. Auf dieser Basis werden häufig nur noch ein bis zwei Kandidaten ausgewählt, mit denen der Insolvenzverwalter gegebenenfalls unter Exklusivität finale Kaufvertragshandlungen führt.

Phase 4: Vertragsverhandlungen

In der letzten Prozessphase werden die Verhandlungsergebnisse der Due Diligence in den Vertragsverhandlungen zusammengetragen und im Kaufvertrag rechtlich fixiert. Der M&A-Berater berät hierbei die Insolvenzverwaltung bei allen kommerziellen Themen, wie beispielsweise bei der Bewertung von Halbfertigerzeugnissen. Investoren ist anzuraten, einen insolvenz- und transaktionserfahrenen Anwalt zu mandatieren, da der Unternehmenskauf aus der Insolvenz Besonderheiten aufweist. Grundsätzlich ist der Kauf über einen Asset Deal oder Share Deal im Insolvenzplan möglich. Während bei einem Asset Deal die Vermögenswerte des insolventen Rechtsträgers gegen Zahlung des verhandelten Kaufpreises auf einen neuen Rechtsträger übertragen werden und die alte Gesellschaftshülle leerläuft, wird bei einem Share Deal der bestehende Rechtsträger über einen Insolvenzplan saniert. In beiden Fällen werden die Gläubiger quotal befriedigt und die sanierte Gesellschaft kann sich nach dem Verkauf gemeinsam mit dem Geschäftsführer auf den Neustart konzentrieren.

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