Exitenz-Magazin: „Krankenhäuser sind immer öffentliche Angelegenheiten”
Mit dem Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht Dr. Alexander Verhoeven und Falkensteg-Partner Tillmann Peeters sprach das Existenz-Magazin über die angespannte Situation in der deutschen Krankenhauslandschaft, die Unsicherheiten, die durch die Politik verursacht werden und über Tools und Verfahren, wie man Kliniken neu positionieren kann.
Wir sprechen uns im Umfeld des 46. Deutschen Krankenhaustages in Düsseldorf. Bereits zur Eröffnung wurde dort über die „dramatische Finanznot der Kliniken” gesprochen. Wie ernst ist die Lage tatsächlich bzw. spitzt sich die Situation zu?
Peeters: Die Situation ist wahrlich sehr ernst. Natürlich gibt es auch noch Häuser, die aus den unterschiedlichsten Gründen weniger oder vielleicht gar nicht betroffen sind. Aber die Mehrheit der Kliniken ist stark bis sehr stark betroffen. Häuser, die früher auf Kante genäht wurden, sind durch die Kostensteigerungen der vergangenen zwei Jahre deutlich mehr bzw. erst richtig unter Wasser geraten und haben heute einen deutlich erhöhten Liquiditätsbedarf. Sie haben allerdings nicht die Möglichkeit, ihre vollen Kosten weiterzugeben, weil sie auf gedeckelten Wegen unterwegs sind.
Dr. Verhoeven: Ich stimme Tillmann Peeters ausdrücklich zu. Die Lage ist dramatisch! Ich glaube, dass wir gegen Mitte bzw. Ende 2022 eine erste große Insolvenzwelle hatten. Im Moment spüren wir im Markt, dass die Insolvenzfälle leicht zurückgegangen. Wir erleben tatsächlich eine kleine ”Verschnaufpause”. Das bestätigen mir auch alle Marktteilnehmer, mit denen ich der¬zeit selbstverständlich in einem laufenden Austausch stehe. Das liegt allerdings vor allem daran, dass sämtliche Krankenhäuser im Moment ihre 2-3 Jahres-Planung zum Jahresende aufsetzen und ihren jeweiligen Trägern vorstellen. Hier wird sich, so die Erwartung von vielen im Markt, das ganze Ausmaß der Krise erst richtig zeigen. Die Erwartung unter Krankenhausmanagern ist – und hier geht die eigentliche Dramatik erst richtig los –, dass wir gegen März/April 2024 eine zweite, wesentlich größere Welle erleben werden.
Peeters: Wir haben es einerseits mit einer internen Kostenerzeugung und Leistungsgenerierung und andererseits mit einem schwierigen und vor allem überschaubaren Finanzierungsmarkt zu tun. Darüber hinaus haben die im Unternehmen befindlichen Assets nur eine begrenzte Verwertbarkeit. Der wesentliche Wertgegenstand eines Krankenhauses ist die Immobilie. Aber kann ich sie tatsächlich verkaufen und vor allem: an wen? Und wie verkaufe ich ein geschlossenes Krankenhaus, wenn ich im schlechtesten Fall an eine Drittverwertung denke? Das ist bei einem Fabrikgelände oder einem Lagergebäude schon deutlich anders. Viele dieser und anderer Punkte machen eine Sanierung im Gesundheitswesen schwerer als in anderen Branchen. Aber es gilt auch einen positiven Aspekt zu berücksichtigen: Die Kundschaft ist und bleibt da. Und wir haben es nicht mit einem konjunkturgetriebenen Markt zu tun.
Dr. Verhoeven: Diese nächste Welle wird trotzdem definitiv kommen, wenn die Regierung über die Krankenhausreform hinaus nicht wirklich neues Geld in den Markt gibt. Und wir sprechen da von 5-6 Milliarden Euro. Das ist einhellige Meinung. Die geplante Reform alleine gibt das nicht her. Sie beinhaltet keine Maßnahmen, um Antworten auf die akute Krisensituation bzw. frisches Geld in den Markt zu geben. Der Bundesgesundheitsminister spricht offen darüber, dass das Ziel der Bemühungen der Bundesregierung darin besteht, eine Bereinigung des Marktes zu erreichen. Mit meinen Worten: Insolvenzen werden bewusst in Kauf genommen. Wie sich die Situation in 2024 und den Folgejahren dann tatsächlich entwickelt, bleibt von verschiedenen Faktoren, z. B. auch der Krankenhausreform und ihren derzeit erst ab 2026-2027 prognostizierten positiven Effekten, abhängig. Da zu viel in Bewegung ist, kann man ehrlicherweise zum jetzigen Zeitpunkt keine tragfähige Bestandsaufnahme bzw. Vorhersage machen.
Das komplette Interview finden Sie im angefügten PDF