Immobilienbranche: Kaum noch zweite Chancen

Die Immobilienbranche durchlebt eine tiefgreifende Krise, nicht nur die Insolvenzen klettern, vor allem die Erfolgsquote bei den Sanierungsversuchen sinkt weiter.

Die Aussichten auf eine Rettung für insolvente Immobilienfirmen bleiben auch im ersten Halbjahr 2024 trübe. Lediglich sieben von 33 Immobilienfirmen (21 Prozent), die 2023 einen Insolvenzantrag gestellt hatten und einen Umsatz von über 10 Millionen Euro generierten, erhielten im ersten Halbjahr 2024 eine zweite Chance. Die Rettung erfolgte durch einen Unternehmensverkauf (Asset Deal) oder durch einen Insolvenzplan, dem die Gläubiger und das Gericht zugestimmt haben. Bei acht Unternehmen kam das endgültige Aus, während die restlichen 18 Verfahren noch offen sind. Auch schon 2022 lag die Rettungsquote bei lediglich 23 Prozent – die niedrigste Zahl aller Industriebranchen in Deutschland.
Christian Alpers, Partner bei Falkensteg und Experte für Real Estate, erklärt die strukturellen Gründe vor allem bei Projektentwicklern für die geringen Überlebenschancen: "Bei einer Gesamtsanierung des Unternehmens liegt die Herausforderung in einer konsensualen Verteilung der Erlöse unter den Grundpfandrechtsgläubigern. Die Akzeptanz über die Höhe des Haircuts führt somit oftmals zu einem Scheitern der Gesamtlösung“. In der Folge werde häufig die Holding aufgelöst und Projektgesellschaften einzeln veräußert. "Allerdings zögern die Investoren derzeit und spekulieren auf weiter fallende Preise", so Alpers weiter.

Starker Anstieg bei Insolvenzanmeldungen
Die Zahl der Immobilieninsolvenzen bei Großunternehmen mit einem Umsatz von über 10 Millionen Euro ist im ersten Halbjahr 2024 von 9 auf 31 Fälle gegenüber dem Vorjahreszeitraum gestiegen - ein Plus von 244 Prozent. Immobilienexperte Christian Alpers ordnet die Situation ein: "Das Rekordplus erklärt sich durch den späten Beginn der Krise im zweiten Halbjahr 2023. Trotzdem sehen wir noch einen Anstieg um fast ein Drittel im Vergleich zum Halbjahr davor." Betroffen sind vor allem Projektentwickler, die im ersten Halbjahr den Löwenanteil der Insolvenzen ausmachten.

Ursachen der Krise
Die Gründe für die prekäre Lage sind vielschichtig. Seit 2020 sind die Baukosten um nahezu 45 Prozent gestiegen, während die Verkaufspreise im vergangenen Jahr teilweise um bis zu 50 Prozent eingebrochen sind. "Diese Diskrepanz macht viele Businesspläne obsolet und führt dazu, dass zahlreiche Immobilienprojekte auf Eis gelegt oder gänzlich storniert werden", erklärt Alpers.
Verschärft wird die Situation durch die angespannte Lage auf dem Finanzierungsmarkt. Banken agieren bei der Kreditvergabe für Immobilienprojekte äußerst zurückhaltend, während die Finanzierungskosten auf einem Rekordniveau verharren. "Wo Unternehmen vor drei Jahren noch Zinssätze von zwei Prozent für ihre Projekte kalkulieren konnten, sehen sie sich heute mit Raten von bis zu acht Prozent konfrontiert. Diese Entwicklung bedroht selbst solide Geschäftsmodelle in ihrer Existenz", fasst der Real Estate Experte Alpers zusammen. Für das laufende Jahr prognostiziert er einen zweistelligen Anstieg der Insolvenzen.

Auswirkungen auf die gesamte Branche
Die Krise trifft inzwischen nicht nur Bauträger und Entwickler, sondern auch Bauunternehmen und nachgelagerte Gewerke. Bei den Rohbauunternehmen verfünffachte sich die Zahl der Insolvenzen von drei auf 15, bei den Ausbau- und Dienstleistungsunternehmen kletterte die Zahl der Pleiten von sechs auf 16. "Die Unternehmen stehen vor erheblichen Herausforderungen bei der Auslastung ihres Personals und der Anpassung ihrer Kostenstrukturen. Der massive Auftragsrückgang führt schnell zu Liquiditätsengpässen", erläutert Alpers.

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