Großinsolvenzen 2024: Ein Plus von 30 Prozent / Klima der Unsicherheit
Die Insolvenzen von Großunternehmen (Umsatz über 10 Mio. Euro) sind im vergangenen Jahr von 279 auf 364 Fälle gestiegen.
Damit wurde ein neuer Rekordwert innerhalb der vergangenen fünf Jahre erreicht und bedeutet ein Plus von 31 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Spitzenreiter sind die Automobilzulieferer, Metallwarenhersteller, Immobilien- und Bauunternehmen sowie Maschinenbauer, so die Insolvenzstatistik der Unternehmensberatung Falkensteg. Für eine Trendwende fehlt es Unternehmen und Verbrauchern an Zukunftsvertrauen und Planungssicherheit.
„Der Anstieg kommt nicht überraschend, steckt doch die deutsche Wirtschaft vor enormen Herausforderungen: überbordende Bürokratie, zu hohe Steuern und Lohnnebenkosten, ein unflexibler Arbeitsmarkt und eine schleppende Digitalisierung. Wir fallen im internationalen Vergleich zurück und die Insolvenzzahlen sind ein deutliches Warnsignal. Jetzt sind Reformen gefragt, die die Wirtschaft entlasten, flexibler machen und die Innovationskraft stärken“, so Falkensteg-Partner Jonas Eckhardt.
Besorgniserregend ist die Entwicklung, dass vermehrt Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als einer halben Milliarde Euro einen Antrag stellen mussten. Waren es 2023 nur drei Unternehmen in dieser Umsatzklasse mussten im Vorjahr acht einen Antrag stellen. Insgesamt setzten die 364 insolventen Unternehmen 27,4 Milliarden Euro um. Das ist rund 44 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Damals erwirtschafteten die 279 insolventen Unternehmen nur rund 19,1 Milliarden Euro.
Der drastische Anstieg der Insolvenzen ist Ausdruck einer tiefgreifenden Vertrauenskrise. Unternehmen, Investoren und Verbraucher blicken zunehmend pessimistisch in die wirtschaftliche Zukunft. „Die Stimmung ist im Keller und die Politik sendet widersprüchliche Signale“, so Jonas Eckhardt. Förderstopp bei Elektroautos und in der Solarindustrie oder Streichung beim Glasfaserausbau sind drei Beispiele, wie das Wirtschaftswachstum gebremst und ein Klima der Unsicherheit geschaffen wird. Dies hat direkte Auswirkungen auf das wirtschaftliche Verhalten: Unternehmen investieren mangels Planungssicherheit nur zögerlich, Konsumenten horten ihr Geld, statt zu konsumieren. „Das Vertrauen in die Zukunft ist wie der Treibstoff unserer Wirtschaft. Momentan fahren wir auf Reserve, und die Tanknadel nähert sich bedrohlich dem roten Bereich“, so der Restrukturierungsexperte.
Fast jede sechste Insolvenz trifft Automobilzulieferer
Besonders die deutschen Vorzeigeindustrien Automobil (56 Insolvenzen) und Maschinenbau (32) stecken tief in der Krise und stehen weit oben in der Insolvenzstatistik. Fast jede sechste Insolvenz betrifft mittlerweile einen Automobilzulieferer. Die Branche verzeichnet zudem ein dickes Plus von 65 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Die Insolvenzen bei den Automobilzulieferern ziehen inzwischen auch weitere Branchen mit nach unten. So stiegen die Pleiten bei den Herstellern von Metallerzeugnissen, zu denen vor allem Gießereien zählen, von 28 auf 44 Fälle und in der Elektrotechnik von 11 auf 28. Das dortige Plus von 155 Prozent wird aber zusätzlich durch die kriselnde Solarbranche getrieben.
Der Kaskadeneffekt macht sich derzeit auch in der Immobilienbranche bemerkbar. So verharren die Insolvenzen bei Projektierern und Bauträgern seit 2022 auf einem Höchststand. Die Liquiditätsprobleme ziehen aber nun auch die Rohbauer und die nachgelagerten Gewerke mit in den Strudel. Die Zahl der insolventen Unternehmen, die bis zum Rohbau tätig sind, stieg um die Hälfte von 19 auf 29, während die Pleiten bei den weiteren Gewerken vom Ausbau bis zum Facility-Management um 185 Prozent von 14 auf 40 Fälle explodierten.
Ausblick 2025: Weiterer Anstieg um 25 Prozent
„In diesem Jahr werden wir einen weiteren Anstieg um 20 bis 25 Prozent sehen, denn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ändern sich nicht über Nacht. Hinzu kommen das politische Vakuum bis zur neuen Regierungsbildung, eine erneut protektionistische US-Präsidentschaft und weitere Handelskonflikte für die Exportnation Deutschland“, prognostiziert Jonas Eckhardt. Überproportionale Steigerungsraten sieht der Restrukturierungsexperte bei den Automobilzulieferern, im Immobilienbereich, bei Maschinenbauern und im Gesundheitssektor.
Gerade die Zulieferer stehen vor enormen Herausforderungen, weil sie die Zukunft der E-Mobilität verschlafen haben. Nicht nur aus den USA und China, sondern zunehmend auch aus Indien drängen neue Player auf den Weltmarkt. „Diese neuen Wettbewerber haben erkannt, dass es nicht die Karosserie oder Ingenieurskunst ist, mit der das Geld verdient wird. Am Ende zählt die Zeit, die der Fahrer im Auto verbringt, im Zweifel auch autonom, und wie diese Zeit monetarisiert wird“, so Eckhardt. Den deutschen Zulieferern stehe daher eine „Tour der Leiden“ mit harten Restrukturierungen, extremem Personalabbau und Standortschließungen bevor.