Bei datengetriebenen Geschäftsmodellen oder im Online-Handel sind die Kunden- und Vertriebsdaten meist ein werthaltiges Asset. Früher eher stiefmütterlich behandelt, rückt beim Unternehmensverkauf die datenschutzkonforme Übertragung dieser Daten aufgrund der DSGVO in den Fokus. Die rechtssichere Kundeneinwilligung („Opt-In“) ist im distressed M&A-Prozess wegen der kurzen Zeitspanne der Transaktion und der meist verhaltenen Einwilligungsraten nicht praktikabel. Übernimmt der Käufer dagegen die Gewährleistungsansprüche der Kunden, liegt ein berechtigtes Interesse des Kunden für die Datenübertragung vor. Die Daten dürfen vom Erwerber jedoch nur für diesen Zweck genutzt werden.
Eine Datenverarbeitung zum Zweck einer Unternehmenstransaktion ist dann zulässig (Art. 6 Abs. 4 DSGVO), wenn die betroffene Person entweder eingewilligt hat, die Datenverarbeitung durch andere gesetzliche Rechtsgrundlagen zugelassen ist oder keine Zweckänderung vorliegt. Die Verarbeitung von personen- und unternehmensspezifischen Daten im Rahmen von Unternehmenstransaktionen ist deshalb ein Drahtseilakt für Verkäufer und Berater. Während es für die Verarbeitung der Daten im Due-Diligence-Prozess geeignete Umsetzungsmittel gibt, ist die nicht zweckgebundene Übertragung an einen Erwerber ein mögliches Datenschutz-Risiko. Dies kann die Transaktion erheblich belasten.
Hohe Hürden beim Asset Deal
Eher unproblematisch ist die Nutzung der Kundendaten durch den Käufer im Rahmen eines Share-Deals. Hier bleibt das Unternehmen Vertragspartner des Kunden und somit werden die Daten nicht auf ein anderes Unternehmen übertragen. Dagegen weist der Asset Deal erheblich höhere Hürden für die Übertragung aus.
Eine Übertragung eines Datensatzes ohne entsprechende Grundlage oder ohne direkte Kommunikation mit den betroffenen Personen kann im Asset Deal aus der Insolvenz ein erhebliches Prozess-Risiko bilden. Es droht sogar die Nichtigkeit des gesamten Kaufvertrages (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 24.1.2018, Az.: 13 U 165/16).
Ein rechtssicherer Weg wäre, die Einwilligung aller betroffenen Personen gemäß Art. 7 DSGVO einzuholen. Die wirksame Einholung einer solchen Einwilligung ist in der Praxis allerdings nicht praktikabel und kaum erfolgsversprechend. Der erzeugte Aufwand hierfür ist unverhältnismäßig hoch und kann in der teils kurzen Zeitspanne einer Unternehmenstransaktion aus der Insolvenz nicht umgesetzt werden. Darüber hinaus würde die Insolvenzmasse mit erheblichen Kosten belastet. Außerdem dürften nur wenige Kunden einer Übertragung ihrer Daten auf einen für sie unbekannten Dritten zustimmen, sofern sie überhaupt die Interaktions-Schwelle für die Zustimmung überwunden haben. Letztendlich würde der Wert der Kundendatenbank deutlich sinken, was sich in einer niedrigeren Unternehmensbewertung niederschlägt.
Lösungsansatz: berechtigtes Interesse
Neben der Einwilligung hält Art. 6 der DSGVO als gleichberechtigte Legitimation das berechtigte Interesse vor. Im Rahmen dieser Regelung soll gesichert werden, dass die rechtlichen Ansprüche des Kunden nicht aufgrund der Unübertragbarkeit der Daten untergehen. Im nachfolgenden soll anhand eines praxisnahen Beispiels das berechtigte Interesse des Kunden sowie die Umsetzung einer Transaktionslösung aus der Insolvenz skizziert werden.
Im Rahmen eines Asset Deals soll ein insolventer Schmuckhändler, der auf Online- und B2B-Handel spezialisierten ist, verkauft werden. Der Erwerber hat neben den Sachanlagen, der eingespielten Wertschöpfungskette, und dem Know-how der Mitarbeiter auch den Kundendatensatz als wesentlichen Werttreiber der Transaktion identifiziert. Die oben skizzierte Opt-In-Lösung wird durch den Erwerber aufgrund des zu erwartenden niedrigen Rücklaufs ausgeschlossen. Er strebt an, alle Gewährleistungsansprüche der Vergangenheit aus Produktfehlern oder zukünftig auftretenden Mängeln durch die neue Gesellschaft zu übernehmen. Zur Nachverfolgbarkeit und Dokumentation der Ansprüche der Kunden muss er die kundenspezifischen Daten uneingeschränkt übernehmen. Im Gegenzug hat der Kunde durch die Wahrung seiner Gewährleistungsansprüche ein berechtigtes Interesse an der Weitergabe seiner Daten an den Erwerber.
Widerspruchsmöglichkeit für Kunden
Zur Absicherung dieses berechtigten Interesses wurde ein allgemeines Mailing an alle Kunden durchgeführt. Dieses informierte über die Übertragung der Gewährleistungsansprüche auf den Erwerber und räumte die Möglichkeit ein, explizit der Übertragung zu widersprechen (Opt-Out). Die Widerspruchsquote lag durch dieses Vorgehen im niedrigen einstelligen Prozentbereich.
Es ist dabei jedoch zu beachten, dass die übertragenen Kundendaten nur für die Zwecke verwendet werden dürfen, die bei der Übertragung definiert wurden, für die ein „berechtigtes Interesse“ vorliegt und an die betroffenen Personen kommuniziert wurde.
Das dargelegte Fallbeispiel zeigt eine Konstellation, in der aufgrund des berechtigten Interesses der Kunden die Datenübertragung möglich ist. Einschränkend ist allerdings festzustellen, dass dieser Weg sich besonders für Geschäftsbetriebe eignet, deren zukünftigen Gewährleistungsrisiken sich gut einschätzen lassen. Sollte dies nicht der Fall sein, wird durch diese Form der Übertragung ein wesentlicher Vorteil des Asset Deals als Transaktionsstruktur konterkariert.