Die Zahl der Restrukturierungen nimmt pandemiebedingt zu. Deekeling Arndt/AMO unterstützt mit langjähriger Expertise Unternehmen in der Kommunikation von Restrukturierungsprozessen. In der Interview-Reihe mit Restrukturierungs-Experten stellt Volker Heck diesmal drei Fragen an Tillmann Peeters von FalkenSteg. Es geht dabei um Insolvenzen, um Sanierungen, die ein Wiederanfahren nach der Krise erlauben, und um neue rechtliche Instrumente wie das StaRUG.
Die Insolvenzen werden wohl steigen – wann erreicht uns die Welle?
Die erste Pleitewelle hat uns eigentlich schon überrollt. In unserem FalkenSteg-Insolvenzreport analysieren wir alle drei Monate die Großinsolvenzen – und die Zahlen sind dramatisch: ein Anstieg über 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Zu uns als Beratung in Sondersituationen kommen deshalb vermehrt profitable Unternehmen, deren Geschäftsbetrieb durch die Pandemie vollkommen zum Erliegen kam. Früher ging es um Größenanpassungen, Cost-Cutting, Ergebnisverbesserung, Mitarbeiterabbau oder Standortschließungen. Jetzt heißt die Herausforderung: Sanierung mit entwerteter Substanz oder wegbrechendem Markt. Neu ist, dass teilweise größere Kunden ihre Lieferanten in der Krise unterstützen. Den anderen bleibt nur, das Unternehmen drastisch herunterzufahren. Mit dieser Situation sind Unternehmer nicht zwingend überfordert, aber sie erteilen sich zu häufig Denkverbote. Sie befürchten, beim Wiederanfahren den Anschluss zu verlieren. Unsere Erfahrung aber zeigt: Wenn die Personalkosten über das Kurzarbeitergeld abgefangen werden und der Staat die Remanenzkosten übernimmt, dann übersteht ein Unternehmer auch im Winterschlaf die Krise und kann wieder durchstarten. Wichtig ist: klar mit den betroffenen Mitarbeitern und Kunden kommunizieren und diese „mit ins Boot holen“.
Wo sehen Sie die wesentlichen Veränderungen?
„Cash is king“: Ausreichende Liquidität war und bleibt überlebenswichtig. Die Unternehmer müssen darüber hinaus das globale Wirtschaftssystem mit einem neuen und kritischen Blick betrachten. Je nach Branche wird die Unsicherheit ein großer Bestandteil der Unternehmensplanung werden, denn ein V-Verlauf der Konjunktur ist derzeit eher unwahrscheinlich. Forecasts müssen laufend angepasst und Szenarien mit bisher unmöglichen Varianten durchgespielt werden. Jetzt läuft die Zeit für die Optionsanalysen – dabei spielt nicht die Genauigkeit, sondern die Vielfalt eine wesentliche Rolle. Mit Optionen meine ich: Wie kann ich neue Märkte erschließen und den Weg dahin finanzieren? Es gibt immer noch Unternehmer, die die KfW-Mittel nicht richtig geprüft haben. Können weitere Gesellschafter – auch der Staat – das Unternehmen weiterbringen? Muss Personal abgebaut werden und kann ich mir das – finanziell, aber auch mit Blick auf den Facharbeitermangel – leisten? Lässt sich ein Standort schließen, lassen sich Immobilien verkaufen oder im „Sale and Lease back“ nutzen? Wie lassen sich Schulden abschneiden? Oder droht dem Unternehmen schon die Insolvenz? Letzteres ist eine Maßnahme, die der Unternehmer nicht scheuen darf. In einer professionell vorbereiteten Eigenverwaltung oder einem Schutzschirm lassen sich neue Wege gehen.
Die Bundesregierung hat mit dem Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen (StaRUG) ein neues Sanierungsinstrument auf den Weg gebracht. Reichten die bisherigen Maßnahmen nicht aus?
Nein, europarechtliche Vorgaben und praktische Erfahrungen der letzten Jahre haben Anpassungen notwendig gemacht. So schließt das StaRUG die Lücke zwischen einer auf die Zustimmung aller Gläubiger angewiesenen außergerichtlichen Sanierung einerseits und der Sanierung im Insolvenzverfahren andererseits. Zielgruppe des Gesetzes sind Unternehmen, die einen umsetzbaren operativen Sanierungsaufwand haben, aber die Schuldenlast bei einem dann positiven EBIT nicht tragen können. Dies schließt auch aktuell Finanzierungen ein, die im Rahmen der COVID-Hilfen aufgenommen wurden. Das Gesetz soll erst Anfang 2021 in Kraft treten.
Mit dem StaRUG werden zudem die Machtverhältnisse deutlich verschoben. Bisher wurden Restrukturierungen von den Finanzierern angestoßen und getrieben. Zukünftig hat es der Unternehmer in der Hand, gegen ein einzelnes Veto seiner Gläubiger vorzugehen und mit der Gläubigermehrheit die Sanierung durchzuführen. Unternehmer sollten rechtzeitig die Handlungsmöglichkeiten durch das StaRUG prüfen, denn bei einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung steht der Rechtsrahmen nicht mehr zur Verfügung. Frühzeitiges Handeln wird somit zur Prämisse in der Krise, auch wenn jede Entscheidung mit Risiken verbunden ist. Nichtstun birgt das größte Risiko.
Lesen Sie mehr im DAA-Special RESTRUKTURIERUNGEN IN DER NEUEN CORONA-REALITÄT: https://www.deekeling-arndt.com/wissen/fokusthemen/restrukturierungen-new-reality.